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Der Erblasser kann frei entscheiden, wer und in welcher Höhe sein Erbe werden soll. Er kann darum auch nahe Verwandte, wie seine Kinder oder seinen Ehegatten in einem Testament völlig enterben. In diesem Fall haben bestimmte Personengruppen, insbesondere die Kinder und der Ehegatte, jedoch Anspruch auf den sogenannten Pflichtteil. Dieser entspricht dem halben gesetzlichen Erbteil. Das ist der Erbteil, der anfallen würde wenn der Erblasser kein Testament errichtet hätte.
Im folgenden Video wird erklärt, wer pflichtteilsberechtigt ist, wie der Pflichtteil berechnet wird und wie sich Schenkungen des Erblassers vor seinem Tod auf den Pflichtteil auswirken.
Das Pflichtteilsrecht spielt in unserer Kanzlei für Erbrecht eine herausragende Rolle. Wir beraten sowohl Erblasser, wie der Pflichtteil eines ungeliebten Berechtigten minimiert werden kann, als auch Pflichtteilsberechtigte, wie sie ihren Pflichtteil gegenüber den Erben durchsetzen können.
Der Anspruch auf den Pflichtteil steht grundsätzlich den Kindern des Erblassers und deren Abkömmlingen (Enkel und Urenkel des Erblasser) zu. Außerdem haben der Ehegatten und die Eltern des Erblassers einen Pflichtteilsanspruch.
Keinen Pflichtteilsanspruch haben weiter entfernte Verwandte des Erblassers wie dessen Geschwister, Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen oder die Großeltern des Erblassers.
Der Erblasser kann durch ein formgültig errichtetes Testament oder einen Erbvertrag auch seine engsten Verwandten oder seine Ehefrau als Erben ausschließen, etwa indem er seine neue Freundin testamentarisch als Alleinerbin einsetzt.
In diesem Fall werden Kinder und Ehefrau nicht gesetzlicher Erben, sondern haben lediglich einen Pflichtteilsanspruch gegen den oder die testamentarischen Erben.
Ist ein Abkömmling, der Ehegatte, ein Elternteil oder der Lebenspartner als Erbe berufen, und schlägt er die Erbschaft nach § 2306 BGB wegen Beschränkungen und Beschwerungen aus, kann er dennoch von den Erben, auch von solchen, die durch seine Ausschlagung der Erbschaft erst zu Erben geworden sind, den Pflichtteil verlangen.
Der Ehegatte des Erblassers, der mit diesem in einer Zugewinngemeinschaft gelebt hat, hat darüber hinaus einen Pflichtteilsanspruch wenn er zwar Erbe geworden ist, die Erbschaft aber ausgeschlagen hat. Ihm steht dann neben dem Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns auch ein Pflichtteilsanspruch zu, obwohl ihm dieser nach den erbrechtlichen Vorschriften sonst nicht zustehen würde.
Der Pflichtteilsanspruch ist ein reiner Geldanspruch gegen die gesetzlichen Erben. Der Pflichtteilsberechtigte kann also nicht bestimmte Gegenstände aus dem Nachlass verlangen, wie einen Anteil an einer Immobilie oder einen bestimmten Gegenstand aus dem Nachlass.
Schuldner des Pflichtteilsanspruchs ist der Erbe.
Die Höhe des Pflichtteil beträgt 1/2 des gesetzlichen Erbteils. Zur Berechnung des Pflichtteils muss also zunächst ermittelt werden muss, wie hoch der gesetzliche Erbteil des Betroffenen gewesen wäre. (Mehr zur gesetzlichen Erbfolge hier). Dabei werden alle Personen mitgezählt, welche gesetzliche Erben gewesen wären, auch wenn diese durch Enterbung, Erbunwürdigkeit oder Ausschlagung des Erbteils weggefallen sind.
Berechnungsgrundlage für den Pflichtteil ist der Nachlasswert, also der Wert des Vermögens des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes. Vom vorhandenen Vermögen (Immobilien, Sparguthaben, Aktiendepots etc.) sind Schulden des Erblassers abzuziehen. Dazu zählen sowohl Schulden des Erblassers vor seinem Tod (Erblasserschulden) sowie die Kosten des Erbfalls selbst (Erbfallschulden).
In bestimmten Extremsituationen kann der Erblasser seinen Kindern und seiner Ehefrau testamentarisch sogar den Pflichtteil entziehen, dazu sagt das Gesetz:
§ 2333 BGB Entziehung des Pflichtteils
(1) Der Erblasser kann einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn der Abkömmling
(2) Absatz 1 gilt entsprechend für die Entziehung des Eltern- oder Ehegattenpflichtteils."
Hat der Erblasser vor seinem Tod Ihrem Tod noch wertvolle Gegenstände, Geld oder Immobilien verschenkt, führt das dazu dass der Nachlass und damit der Pflichtteil geringer ausfallen. Dies kann den Hintergrund haben, dass der Erblasser den Anfall von Erbschaftssteuer vermeiden will, aber auch, dass er dem Pflichtteilsberechtigten möglichst wenig zukommen lassen will.
Hier hat der Pflichtteilsberechtigte einen Pflichtteilsergänzungsanspruch. Dabei wird der Wert der Schenkung dem Nachlass fiktiv wieder hinzugerechnet, so dass dieser rechnerisch nicht um das Verschenkte geschmälert wird. Allerdings wird dabei berücksichtigt, wann der Erblasser die Schenkung gemacht hat. Schenkungen die mehr als zehn Jahre zurückliegen bleiben bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs außer Betracht. Liegt der Zeitpunkt der Schenkung weniger als zehn Jahre vor dem Erbfall zurück wird der Wert der Schenkung für jedes Jahr, das seither vergangen ist, um 10% reduziert. Im ersten Jahr nach einer Schenkung wird diese in vollem Umfang dem Nachlass hinzugerechnet. Im zweiten Jahr wird die Schenkung nur noch mit 90 Prozent Ihres Wertes berücksichtigt, im dritten Jahr mit 80 Prozent usw. Nach zehn Jahren ist folglich eine Schenkung vollständig abgeschrieben und bliebe zukünftig unberücksichtigt. Für einen Pflichtteilsergänzungsanspruch bleibt dann kein Raum mehr.
Schuldner ist auch beim Pflichtteilsergänzungsanspruch der Erbe.
Der Pflichtteilsberechtigte ist regelmäßig nicht im Besitz des Nachlasses und weiß daher nichts über dessen Wert und Umfang. und hat daher keine Möglichkeit, seinen Pflichtteilsanspruch zu beziffern. Aus diesem Grund hat der Pflichtteilsberechtigte einen Auskunftsanspruch gegen die Erben über die Höhe des Nachlasses. Die Auskunft kann sowohl von einem einzelnen Erben, als auch von Miterben als Gesamtschuldnern verlangt werden.
Nach der Rechtsprechung des BGH hat der Pflichtteilsberechtigte darüber hinaus auch einen Auskunftsanspruch gegen einen vom Erblasser zu Lebzeiten Beschenkten über den Wert des Geschenkes. Dies sichert dem Pflichtteilsberechtigten die Geltendmachung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs. Der Anspruch gegenüber dem Beschenkten ist allerdings auf die Erteilung der Auskunft über den geschenkten Gegenstand beschränkt. Ein Anspruch auf Wertermittlung besteht insoweit nicht.
Der Auskunftsanspruch ist in Form einer geordnete Zusammenstellung (Tabelle) aller Aktiva und Passiva des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls zu erteilen. Hierzu gehören Auskunft über:
Zur Sicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit des Bestandsverzeichnisses besteht ein Anspruch auf Abgabe dereidesstattlichen Versicherung darüber, dass das Verzeichnis nach bestem Wissen so vollständig erstellt wurde, wie der Erbe dazu im Stande gewesen sei, § 260 Abs. 2 BGB. Allerdings müssen begründete Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit des Nachlassverzeichnisses dargelegt werden, um die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verlangen zu können.
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